Religion
Für die bäuerliche Bevölkerung ist der Schutz der Berggötter wichtigste Grundlage im täglichen
Leben. Richtige Verehrung und Darbietung von Opfern vorausgesetzt, gewähren diese Gottheiten
Fruchtbarkeit und Abwehr aller bösen Mächte und Unbilden. Werden sie jedoch in ihrer Ruhe
gestört oder werden ihnen die geforderten Opfer nicht dargebracht, können sie die materiellen
Lebensgrundlagen ebenso wie das Leben der Menschen bedrohen.
Diese Götter wirken nicht nur in der Beziehung der Menschen zu ihrer physischen Umwelt,
sondern auch im Leben zwischen den Menschen. Sie wachen über die Einhaltung der Normen
der sozialen Ordnung genauso, wie sie politische Macht legitimieren. Zugang zu politischer Macht
haben meist die, die auch einen besondere Beziehung zu den Gottheiten haben.
In jedem großen Kloster ist diesen Gottheiten eine eigene Kammer eingerichtet, oder sie sind auf
den Wandmalereien abgebildet. Auf dörflicher Ebene obliegt ihre regelmäßige Verehrung den
Dorfpriestern, die mit Methoden der buddhistischen Ritualistik mit ihnen in Kontakt treten, um sie
wohlwollend zu stimmen. Diese Rituale verlangen die Anwesenheit der gesamten Dorfgemeinde.
So wird die Dorfgemeinschaft immer wieder gefestigt.
Die Lehre des bhutanischen Buddhismus folgt der Mahayana-Richtung. Mahayana (großes
Fahrzeug) und Hinayana (kleines Fahrzeug) sind die zwei großen Schulen des hiesigen Buddhis-
mus, wobei der Mahayana wiederum in zwei Fahrzeuge unterteilt wird. Eines davon ist das
Mantra-Fahrzeug oder übersetzt: Vajrayana (Diamantenes Fahrzeug)
Der Buddhismus erreichte Tibet und Bhutan im 7. Jahrhundert n.Ch. Heute ist der Mahayana-
Buddhismus Staatsreligion. Bhutan ist das einzigste Land der Welt, das diese Richtung des
Buddhismus lehrt.
Die Drupka-Zweigschule der Kagyupa ist die Staatskirche Bhutans.
Der 4. Tag des 6. Monats ist nach bhutanischem Kalender der Jahrestag der ersten Predigt des
Buddha im Gazellenpark zu Sarnath und somit ein gesetzlicher Feiertag.
Zu den Riten als wichtigstes Element des Mahayana-Buddhismus gehören:
- Mandala
- rituelle Teigfiguren
- Ritualmeister
- Weihe
- Feuerzeremonie
- Anrufung der Gottheit und Weihrauchopfer.
In der Tradition der vorbuddhistischen Vorstellung gehört jeder Fels und jedes Stück Erde einem
nicht menschlichen Besitzer der Erde. Erde ist in diesem Zusammenhang als Lebensgrundlage
allen menschlichen Seins zu verstehen.
Die nichtmenschlichen Besitzer müssen bei allen Störungen ihrer Ruhe, wie zum Beispiel durch
Pflügen oder Hausbau, um Entschuldigung gebeten werden - der Mensch ist nicht allein auf der
Welt.
Der Kosmos oben,
der Himmel in der Mitte und
der menschlliche Lebensbereich unten
sind jeweils durch nichtmenschliche Wesen belegt.
Die Menschen teilen sich mit den göttlichen Wesen der mittleren Ebene ihren Lebensraum.
Die Gottheit des Territoriums wirkt auf die menschliche Gemeinschaft am Nachhaltigsten ein:
Ein harmonisches Verhältnis zwischen dem Berg und den Menschen setzt eine Harmonie
zwischen den Menschen voraus. Es ist das oberste Ziel aller Regeln, über die der Berg wacht.
Wird eine der sozialen Regeln gebrochen, so entzieht er seinen Schutz. Der Schaden, der daraus
entsteht kann sich verheerend für eine ganze Region auswirken. Jedes Individuum muß daher
sein Handeln innerhalb sozialer Spielregeln gestalten. Der Berg ist für die Menschen außerhalb
des Klosters die wichtigste ideelle Grundlage des wirtschaftlichen und sozialen Alltags. Für den
Mönch im Kloster ist er ein Beschützer der buddhistischen Lehre.
Wegen der Ruhestörung, der in den Gipfeln der Berge lebenden Götter ist es in Bhutan verboten,
eben diese Berge zu besteigen.
Nicht nur Berggötter, sondern auch Gottheiten in den Felsen und Gewässern sind zu besänftigen,
wenn Entwicklungsprojekte, wie Straßen- und Staudammbauten in die Landschaft eingreifen.
Behutsames Vorgehen ist daher erste Regel, auch wenn es für unser Verständnis scheinbar so
aussieht, als gehe nichts voran.
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