Architektur Vor dem Hintergrund der geografischen, klimatischen und auch ethnischen Vielfalt stellt sich die Architektur als eigenständiger, abweichend vom im Tibet anzutreffenden Baustil dar. Der Unter- schied besteht darin, dass in Bhutan weitgehend mit Holz gebaut wird, einem hier reichlich zur Verfügung stehenden Material. Holz wurde für die zweistufigen, leicht geneigten Schindeldächer der Sakralbauten und Wohnhäuser verwendet. Die Dachböden sind nach allen Seiten offen und werden als Trockenspeicher für Getreide und andere Feldfrüchte genutzt. Die Häuser müssen den harten bhutanischen Winter aushalten und sind fast alle mit farbenprächtigen Symbolen bemalt, die Fruchtbarkeit bringen oder böse Geister abhalten sollen. Es wird überwiegend mit Holz geheizt und gekocht, und fast alle Häuser sind von einem Garten umgeben, in dem die Bewohner Gemüse zum Eigenverbrauch anbauen. Für den Besucher fallen zuerst die prächtig in der Landschaft stehenden Klosterburgen (Dzongs) ins Auge. Auch ist hier die Verwendung von Holz als Baumaterial auffällig. Das eine oder andere Mal wurden die Obergeschosse der Dzongs ganz aus Holz erbaut, wie etwa beim Dzong von Paro. Die wichtigsten Tempel haben dreistufige Dächer mit einem aufgesetzten Serthong (Spitze), während die anderen ein goldenes Ornament krönt - der Gyaltsen. Er symbolisiert das Sieges- banner, eines der acht Glückszeichen des Buddhismus. Außer Holz kommen für die hohen Mauern der größten und bedeutendsten Dzongs, Klöster und Stupas weiß gekalkte Steine zum Einsatz. Unterhalb der Dachtraufen zieht sich ein breiter roter Streifen (Kemar) rund um das Gebäude. Die Klosterhöfe sind mit großen Steinplatten gepflastert.   Überall im Land begegnen uns diese majestätisch und strategisch platzierte Klosterburgen (Dzongs), dramatisch gelegene Tempel (Ihakang) und Klöster (Gompa). Bauernhäuser (Gung chim), buddhistische Stupas (Chörten) und Gebetsmauern (Mani), Geisterhäuser und Eisen- kettenbrücken zeugen von einer eindrucksvollen Schönheit der traditionellen Architektur. Die Klosterburgen stehen für das duale Herrschaftssystem aus geistiger und weltlicher Macht. Dieser Stil, der Sakrales und Profanes im wahrsten Sinn des Wortes unter einem Dach verbindet, wurde auf die traditionellen Bauernhäuser übertragen und per Gesetz auch für urbane Neu- bauten vorgeschrieben. Jeder Dzong ist also zweigeteilt. Ein Teil umfaßt die Gebäude der Provinzregierung, der andere ist religiösen Zwecken vorbehalten. Im Inneren sind die Gebäude reich mit geschnitzten, farbig gefaßten Ornamenten geschmückt. Achten Sie auf die wunderschönen Kleeblattbogenfenster und die umlaufenden Holzgalerien mit floralen Ornamenten und bemalten Kartuschen. Die Stupas (Chörten), die in den Stadtzentren oder neben Klöstern stehen, sind spirituelle Landmarken. Die bhutanischen Stupas beherbergen die Asche herausragender spiritueller Lehrer. Die Form der Stupas soll den Geist des Buddha symbolisieren. Gemäß der buddhistischen Lehre kann sich  auch die Architektur nicht dem Kreislauf der Existenz entziehen; dem Zyklus von Leben, Tod und Wiedergeburt. Übertragen bedeutet das, sie ist dem Prozess von Errichtung, Zerstörung und Wiedererrichtung als kontinuierliche Erneuerung unterworfen. Daher erübrigen sich auch schriftliche Aufzeichnungen, Bildmaterial oder Baupläne. Spirituelle Meister gaben zum Bau die Anweisungen. Seit der Öffnung des Landes, gerät es zunehmend unter den Einfluß moderner Denkweisen. Ästhetische Aspekte und Wirtschaftlichkeit in der Baukunst rücken mehr und mehr in den Vordergrund. Es ist jetzt schon zu beobachten, wie die fehlende Tradition, Altes zu erhalten, ersetzt wird durch eine im Buddhismus untypische Abkehr vom Spirituellen zum Praktizismus. Die heutigen Bautechniken und verwendeten Materialien bedürfen leistungsfähiger Baumaschinen. Zum Beispiel der Bau der neueren Konzept-Hotels, stabile Krankenhäuser oder langlebige Indu- striebauten tragen rasend schnell dazu bei, dass die traditionelle Architektur nur noch fragmen- tarisch als Schmuck, folkloristisch und durch Monumentalität fortlebt. Vor allem in der Stadt- architektur mit den schon unübersehbaren fremdländischen Bautypen erkennt man die aufwän- dige Mühe, durch traditionelle Elementen einen bhutanischen Aufputz zu verschaffen. Jedes Beispiel von Bhutanisierung ist aber weitgehend als Harmonisierungsprozeß zu verstehen. Darunter fällt auch bei der neuzeitlichen Städteplanung das Verwerfen der traditionellen Sied- lungsformen, wie sie auf dem Land noch weit verbreitet sind.   www.baralynka.com